36. Sechstagefahrt 1961 in Llandrindod Wells/Wales
Das deutsche Trophyteam hatte sich für die Sechstagefahrt des Jahres 1961, vom 2. – 7. Oktober in Wales, insgeheim durchaus gute Chancen ausgerechnet, obwohl im Mutterland des Motorrad-Geländesports natürlich die heimstarken Briten als Topfavorit an den Start gingen. Mit Richard Heßler (Zündapp 250), Erwin Schmider (NSU Max 350), Lorenz Specht (Zündapp 175), Lenz Müller (Hercules 175), Günter Dotterweich (Maico 250) und Sebastian Nachtmann (BMW 600) hatte Teamchef Georg Weiß eine gute Mischung aus erfahrenen Leuten und zuverlässigem Nachwuchs für den Saisonhöhepunkt aufgeboten.
Tag 1: Ab 6.30 Uhr ging es auf die 350 Kilometer lange Etappe. Der Regen der Vortage hatte aufgehört. Es war noch dunkel und neblig als die kleinen Klassen losgeschickt wurden. Für den ersten Tag gab es B-Zeiten, an allen anderen Tagen wurden A-Zeiten gefahren. Die Tagesstrecke führte von Llandrindod nach Westen bis Llandovery. Neben zahlreichen Durchfahrtskontrollen gab es drei Tankkontrollen. Die Strecke war nicht zu schwierig und an manchen Zeitkontrollen hatten die Fahrer ein 20 Minuten Zeitpolster herausgefahren. Vormittags wurde eine Beschleunigungs- und Bremsprüfung gefahren und ebenfalls noch am Vormittag galt es eine Geländesonderprüfung zu absolvieren. Von den deutschen Teilnehmern setzen sich einige sofort an die Spitze ihrer Klassenwertungen. Anscheidt/Kreidler, Gehring/Zündapp, Müller/Hercules, Pospiech/Maico, Schmider/NSU und Nachtmann/BMW. Und am Ende des ersten Tages lagen sowohl das deutsche Trophyteam mit null Strafpunkten als auch die deutsche Silbervasenmannschaft (Witzel/Augustin/Nödinger/Seitz) ebenfalls mit null Strafpunkten in Führung. Die favorisierte Trophymannschaft der heimischen Briten war hingegen bereits geplatzt. Moram war mit seiner AJS gestürzt und hatte sich 56 Strafpunkte eingefangen und Chilton auf einer 650er Triumph musste mit einem blockierten Getriebe komplett aufgeben. Einige dunkle Wolken zogen beim Zündapp Team auf, da Volker Kramer an seiner 50er den 2. Gang nicht mehr einlegen konnte und an Sengfelders 50er der Kickstarter brach. Bei unserem Trophyteam beobachtete man zudem besorgt, wie Lorenz Specht am Abend vor dem Abstellen im Parc ferme etwas hektisch an der Elektrik seiner Zündapp werkelte.
Tag 2: Diesmal führte die 335 Kilometer Strecke nach Norden bis nahe an die Irische See. Zur Freude der Werksbetreuer sprang die Zündapp von Specht problemlos an. Für die Gutpunktewertung galt es eine Geländesonderprüfung und eine Bergprüfung zu absolvieren. Zu den Tagesbesten ihrer Klassen gehörten der Nürnberger Kreidlerfahrer Rotermundt und der schwedische Moto Cross Star Rolf Tibblin. Die deutsche Trophymannschaft, aber auch das Silbervasenteam, konnten ihre jeweiligen Führungen in ihren Wettbewerben verteidigen, doch die beiden italienischen Teams kamen unseren Fahrern bedrohlich nahe. 20 Fahrer mussten an diesem Tag die Sechstagefahrt vorzeitig beenden. Bei den Briten musste Trophyfahrer Moram endgültig aufgeben. Seine Sturzverletzungen vom Vortag waren doch zu schmerzhaft.
Tag 3: Die Strecke des Vortages wurde nun in entgegengesetzter Richtung befahren und erneut warteten eine Geländesonderprüfung und eine Bergprüfung bei kühlem regnerischem Wetter. Bei der Bergprüfung, die auch über nasse Wiesenhänge führte, zeigten sich deutliche Vorteile der tschechischen Fahrer mit ihren neuen Barum Reifenprofilen gegenüber den mit Metzeler bereiften deutschen Fahrern. An manchen Stellen waren die Hänge derart glitschig, dass die Fahrer von schweren Motorrädern die Bergprüfung nur schiebend absolvieren konnten, wie beispielsweise auch Rudolf Höring mit seiner 500er BMW. Doch am Tagesende konnten unsere führende Trophy Mannschaft ihren Spitzenplatz behaupten. Sie führte nun knapp vor den Schweden und den Tschechen, nachdem sich die starken Italiener mit einem Stempelfehler völlig unnötig Strafpunkte eingefangen hatten. Unsere Silbervasenmannschaft A verlor hingegen ihren Spitzenplatz, weil Seitz an der Elektrik seiner Zündapp basteln musste und Nödinger sich eine Zeitüberschreitung einhandelte. Das Team fand sich am Tagesende auf Rang 10 mit 47 Strafpunkten wieder. Dafür übernahm nun Deutschland B mit den Fahrern Schell, Liedl, Schek und Anscheidt die Führung vor der CSSR B Mannschaft.
Tag 4: Es hatte in der Nacht nochmals kräftig geregnet und für den längsten aller Tage waren sehr knappe Etappenzeiten angesetzt. 218 Teilnehmer waren es noch, welche die 385 Kilometer der Tagesstrecke angingen. Im Tagesverlauf warteten eine kombinierte Beschleunigungs-, Bremsprüfung und eine Geländesonderprüfung. Doch die Beschleunigung-, Bremsprüfung hatte es in sich. Während auf Asphalt gestartet wurde, musste die zielgenaue Bremsung auf einem Schotterstück erfolgen. Ein schwieriges Unterfangen, wie unser Sebastian Nachtmann schmerzvoll erfahren musste. Er schoss mit seiner schweren BMW knapp über die Zielfläche hinaus und kassierte gleich mal 20 Punkte. Auf den kappen Etappen mussten sich die Fahrer zudem richtig ins Zeug legen um die Etappenzeiten zu schaffen. Nach einem Gewaltritt traf es Herbert Schek, vom in Führung liegenden Silbervasenteam B, als er in Zeitnot in eine Kontrolle einfuhr, einen Felsbrocken traf und sein Vorderrad damit irreparabel zerstörte. Er musste aufgeben und die Silbervase B war damit geplatzt. Bei den Vasenmannschaften übernahmen nun die beiden tschechischen Mannschaften die Führungspositionen, während Deutschland in der Trophywertung weiterhin die Spitze behaupten konnte. Zündapp Fahrer Volker Kramer musste an diesem Tag aufgeben, da sein Zündapp-Getriebe nun endgültig hinüber war.
Tag 5: 202 Teilnehmer starteten noch in den 5. Tag. Es war die gleiche Strecke wie an Tag 4, allerdings in entgegengesetzte Richtung. Wieder waren die Etappenzeiten äußerst knapp bemessen. Und erneut mussten zwei Sonderprüfungen absolviert werden. Neben einer Beschleunigungs-/Bremsprüfung wartete auch noch eine Bergprüfung. Die Tschechen versuchten alles, um den Gutpunktevorsprung der deutschen Trophy Mannschaft zu verringern. Aber mehr als 3 Punkte konnten sie nicht aufholen. So konnte das deutsche Team mit einem knappen Vorsprung von 28 Punkten den letzten Tag angehen. Doch sie hatten auch ein wenig Glück. Dotterweich, mit 22 Jahren der Jüngste in der deutschen Trophymannschaft, hatte kurz vor dem Ziel mit seiner Maico nach einer Wasserdurchfahrt ein Problem mit eingedrungenem Wasser. Als versierter Techniker konnte er den Fehler rasch finden und beheben und dann auch noch innerhalb seiner Sollzeit ins Ziel fahren.
Tag 6: Bis zum Schlussrennen auf der Shobdon Airbase mussten die verbliebenen 189 Teilnehmer erst noch eine Geländeetappe von 130 Kilometern absolviert werden. 4 Fahrer schafften diesen Geländeabschnitt mit etlichen Moraststrecken allerdings nicht mehr, so dass 185 Teilnehmer für das Schlussrennen übrig blieben. Hercules Rennleiter Winkler war auf der Airbase aufgefallen, dass auf dem vorgesehenen Areal des Schlussrennens auffällig viele Metallteile und Nägel herumlagen. Er aktivierte daraufhin die komplette deutsche Betreuerschaft und in kurzer Zeit konnte ein stattliches Häuflein von diesen Nägeln eingesammelt werden. Während nun alle darauf warteten, dass es im Schlussrennen einen engen Kampf zwischen den beiden noch strafpunktfreien Trophymannschaften von Deutschland und der Tschechoslowakei geben würde, passierte auf der Strecke dramatisches. An der 350er Jawa des Tschechen Sedina riss die Primärkette und schlug gleich auch noch ins Motorgehäuse ein. Nach knapp 80 Kilometern war für ihn Schluß. Damit war dann der harte Nationen-Zweikampf so gut wie entschieden und das deutsche Trophyteam musste nur noch den Geschwindigkeitstest erfolgreich absolvieren. Die Fahrer konnten somit diszipliniert fahren und mussten tatsächlich nicht mehr alles geben.
Alle 6 Trophyfahrer hielten sich an diese Vorgabe von Teamchef Georg Weiß und holten so den Sechstagesieg für Deutschland.
Bildnachweis: Zündapparchiv lo.sgf. und Esmarch-Archiv st.ber.